„Die ‚Amis‘ sind einfach viel oberflächlicher als wir.“
„Die Spanier kommen immer zu spät – total unzuverlässig!“
„Ich kann mich echt nie drauf verlassen, ob die Kiwis nach einer Zusage auch wirklich zu einer Party kommen.“
„Ich fühle mich in Neuseeland oft alleine gelassen – können die sich nicht denken, dass ich Hilfe brauche?“
„Warum können die Neuseeländer nicht einfach mal sagen, was Sache ist, anstatt um den heißen Brei zu reden? Ich suche nach einer deutschen Gruppe, will mich endlich mal wieder „auskotzen“ können, ohne aufpassen zu müssen, was ich sage.“
Das sind nur einige Situationen, bei denen eine interkulturelle Trainerin anfängt zu schmunzeln. Oder jemand, der ein interkulturelles Training absolviert hat, schon länger in einem Land lebt und „interkulturell kompetent“ ist.
Im Vorwort von „Wahlheimat Neuseeland“ beschreibe ich: „Egal wo wir auf dieser Welt unterwegs sind: Wer reist oder in einem anderen Land lebt, kommt nicht um Vergleiche, wobei meist die eigene Kultur als normal und unkritisch wahrgenommen wird. Unterschiede erregen Aufmerksamkeit. Die eigene Kultur dient als Orientierungsrahmen, um die Beobachtungen in der anderen Kultur sinnvoll einordnen zu können.“
Diese Vergleiche sind entweder offensichtlich, wie Kleidung, Essen oder Begrüßungen, oder subtil wahrnehmbar wie in den obigen Beispielen. Oft ist es ein unterschwelliges, manchmal mulmiges Gefühl des Nichtverstehens, Andersseins, das wir uns nicht erklären können. Es ist ein Gefühl, dass etwas „Komisch“ ist oder nicht passt, und wird nur unterbewusst wahrgenommen. In „Wahlheimat Neuseeland“ werden diese beiden Ebenen durch die neuseeländische Vulkaninsel White Island dargestellt.
Grundsätzlich gibt es kulturspezifische Trainings, die auf ein Land vorbereiten, oder kulturübergreifende Trainings, zum Beispiel für internationale Teams. Sie werden auf die jeweilige Situation des Kunden maßgeschneidert. Gute interkulturelle Trainings bieten mehr als Checklisten, Gebrauchsanweisungen oder Kochrezepte (über der Oberfläche) für ein Land an, in das die Teilnehmer entsandt werden oder aus freien Stücken auswandern. Gute interkulturelle Trainings bieten einen „Deep Dive“. Werte, Normen und Erwartungen sind aufs Erste nicht greifbar, sichtbar oder irgendwie erfassbar. Sie sind jedoch die Hauptauslöser vieler oberflächlicher Verhaltensweisen, die im alltäglichen Miteinander zu Missverständnissen führen können.
Diese kulturellen Unterschiede kommen zwischen Ländern vor, zwischen Unternehmen, zwischen Regionen, in internationalen Teams, auf Managementebene, zwischen unterschiedlichen Berufsgruppen und Unternehmensabteilungen.
Interkulturelle Trainings fördern das Bewusstsein dieser Unterschiede durch gezielte Methoden und machen verständlich, weshalb Menschen intuitiv tun, was sie tun. Weshalb fällt es Indern schwer zu sagen, dass es ein Hindernis im Projekt gibt? Warum loben sich Neuseeländer nicht gerne und ziehen sich stattdessen im Vergleich zu Deutschen liebend gerne selbst durch den Kakao?
Die kulturellen Ursachen liegen so tief, dass eine Integration in ein anderes Land sehr lange dauern kann. Seine eigene kulturelle Identität komplett zu ändern, so dass man „so wird“ wie die Menschen im Auswanderungsland, ist schier unmöglich. „Ich bin ja gar nicht so deutsch“ – ein herrlich deutscher Satz.
Jedoch aufgepasst, auch hier gibt es keine Gebrauchsanweisung, kein Schwarz oder Weiß. Alle Menschen, Individuen tragen ihren eigenen Kulturrucksack, der geprägt ist aus den Erfahrungen und Kulturen seines Lebens. So mag der Deutsche im internationalen Vergleich sehr sicherheitsbewusst sein. Ein Unternehmer im innerdeutschen Vergleich wahrscheinlich weniger als ein Beamter.
Das beste Ergebnis nehmen Teilnehmer mit, die in den interkulturellen Trainings viel über ihre eigene Kultur erleben. Die selbst-reflexiv diese oben erwähnten Wahrnehmungen in bewusste Erklärungen der eigenen Kultur umleiten, oder auch die richtigen Fragen bezüglich des Nichtverstehens der anderen Kultur stellen. So können wir „die Amis“ nur als oberflächlich empfinden, weil wir uns selbst für tiefgründiger halten. Der Spanier kann nur so viel Aufregung bei Verspätung bei uns hervorrufen, wie wir selbst Pünktlichkeit gewohnt sind. Der Neuseeländer uns nur soweit vermeintlich im Stich lassen, wie wir selbst Hilfe gewohnt sind. Es gibt kein Positiv und Negativ, es gibt nur anders.
Als interkulturell kompetent gelten Menschen, die sich in der eigenen und anderen Kulturen wohlfühlen und mit jeder der Kulturen ihren Frieden geschlossen haben.
Für mich persönlich sind interkulturelle Themen eine Leidenschaft. Ein Zuhörer meiner Lesung schrieb: „Eigentlich sollte jeder solche Trainings bekommen und etwas über das Thema erfahren, denn es hilft auch, wenn wir uns nicht in verschiedenen Kulturen bewegen.“ Ein anderer resümierte: „Es ist unglaublich, wieviel wir voraussetzen bei anderen, und wie wenig wir doch wissen, dass sein Verhalten aus anderer Sicht Sinn macht, was wir alltäglich fälschlicherweise als Unsinn halten.“
Eine Leserin kontaktierte mich: „Zum Thema Auswandern nach Neuseeland ist „Wahlheimat“ nicht mein erstes Buch, aber trotzdem erfahre ich immer wieder neue Sachen. Jetzt habe ich gerade Deine Liebeserklärung gelesen und musste Dir sofort mit Gänsehaut schreiben und danken. … Sollte ich bald in Neuseeland wohnen, werde ich sie mir ausdrucken und an die Wand hängen.“
Auch wenn es schnulzig klingt – Es ist dieses Feedback, das mich immer wieder ermutigt, weiterzumachen für eine vielleicht ein kleines bisschen bessere Welt, weil manche aufgrund des Buches oder interkultureller Trainings besser verstehen und miteinander kommunizieren können.
Danke an alle, die Fragen stellen wie: „Was macht eigentlich eine interkulturelle Trainerin?“, „Was sind interkulturelle Trainings?“, denn genau das ist der Unterschied zu anderen Neuseelandbüchern.