Anke am Strand von Pauanui.

In einem Forum für Deutsche in Neuseeland schrieb Anke Buhrfeindt einen Blogpost, den Leser sehr positiv aufgenommen haben und den Auswanderer nach Neuseeland mit viel Zustimmung lobten. Und so kam es dazu, dass wir ihn hier fest verankern, auf meiner interkulturellen Seite, wo es ja um genau solche Themen geht. Auswandern, Leben zwischen den beiden Welten, und welche Gedanken beschäftigen einen nach Jahren? Welche Einstellung hat Anke auf dem Weg geholfen, und wie sieht sie das Leben hier und dort aus heutiger Sicht?

„Klassentreffen“ mit Babies aus einer Geburtsvorbereitungsgruppe in Shanghai
„Klassentreffen“ mit Babies aus einer Geburtsvorbereitungsgruppe in Shanghai

 Hinter Anke liegt eine Geschichte von mehr als 30 Jahren durch vier asiatische Länder und 20 Jahren in Neuseeland, mit vielen persönlichen Veränderungen, die sie zu dem Menschen machen, der sie heute ist. Nachdem sie einen Job im Auswärtigen Amt in Manila angenommen hatte, folgte sie ihrem Mann von Land zu Land. Unter anderem war sie als Geburtsvorbereiterin, meist selbständig, in Singapore, China und Japan beschäftigt – ein sehr wichtiger Teil ihres Lebens.

Anke lebt seit knapp zwei Jahren in Dunedin auf Neuseelands Südinsel, vorher 15 Jahre auf der Halbinsel Coromandel südlich von Auckland auf der Nordinsel. Nach all den Jahren zog es sie wegen ihrer Kinder und Enkelkinder nach Dunedin, die selbst nach 17 Jahren nach Neuseeland zurückgekehrt sind. Dazu ist die ärztliche Versorgung in der Stadt besser als im ländlicheren Pauanui. In Dunedin organisiert Anke das „Death Café“ (monatliche Treffen). Seit 2008 ist sie „marriage celebrant“ – Hauptkunden sind deutsche Paare, die in Neuseeland im Urlaub heiraten (siehe Fotos zu beiden Aktivitäten weiter unten). Schaut gerne einmal auf ihrer Website www.significantmoments.co.nz vorbei!

 Doch nun kommt Anke zu Wort! 🙂

„Ihr lieben alle da draußen oder da drüben auf der anderen Halbkugel!  Mich amüsieren diese ganzen Diskussionen um Auswandern oder nicht, Deutschland besser als Neuseeland oder nicht, was gefällt, was nicht, was besser oder schlechter etc…. richtig!

In Dunedin organisiert Anke das „Death Café“ (monatliche Treffen).
In Dunedin organisiert Anke das „Death Café“ (monatliche Treffen).

Ich bin nun 70 Jahre alt und habe vor genau 50 Jahren wegen eines Jobs bei der Botschaft in Manila Deutschland verlassen. Ich dachte, ich sei dann zwei Jahre mal weg… naja, wie das Leben so spielt. Nach 33 Jahren in vier verschiedenen asiatischen Ländern, überlappend mit Neuseeland, lebe ich seit meiner Scheidung (nein, kein Neuseeländer) seit 2007 nun permanent, alleinstehend und mittlerweile im (Un-)Ruhestand hier. Zugegebenermaßen hilft dabei, dass meine beiden Kinder und Anhang nun auch hier leben. Immer noch lebenslustig und sagenhaft gut drauf, innen, außen und gesundheitlich. Das vorweg.

Ich war mein Leben lang immer lebenslustig, positiv und hatte Appetit auf Neues und Andersartiges, ob Kulturen, Menschen / Mentalitäten, Klima. Auch heute bin ich noch ein Stück weit abenteuerlustig. Ich bin äußerst anpassungsfähig und habe die Gabe, auch in miesen Situationen das Gute zu sehen und somit das Bestmögliche daraus zu machen. Das kam ursprünglich daher, dass ich mich auch immer wieder an eine neue Situation / Land angepasst habe, hauptsächlich dann wegen der Karriere meines Mannes. Ich lief mit, von Land zu Land.

Über die Jahre hat mich das Leben Resilienz gelehrt. Mein Humor hilft und auch meine Kontaktfreudigkeit; (Zu?) viel Empathie für andere ist dabei ein zweischneidiges Schwert, womit ich mir meist selbst in den Finger schneide, aber auch in Erwartung dieser Musterwiederholung die Pflaster dafür stets parat habe. Warum lege ich das alles offen? Weil ich davon überzeugt bin, dass mir alle diese Merkmale meiner Persönlichkeitsstruktur geholfen haben, mein buntes, aber auch nicht immer leichtes Leben weitab von Deutschland zu meistern.

Ich habe das Sprichwort „blühe, wo Du gepflanzt wurdest”, vollständig verinnerlicht: für mich bedeutet das, dort, wo man sich gerade in dem Moment befindet, auch anzupassen und eben zu „blühen”. Annehmen und weiterentwickeln.  In den allermeisten Fällen verpflanzen wir uns schließlich selbst. Irgendwann muss Schluss sein mit dem Hin- und Herüberlegen, vor und zurück, weil das Leben sich ständig ändert und wir uns auch. Wir schmieden durch den eigenen Willen, den wir letztendlich doch bei jeder Entscheidung einsetzen, unseren Lebensweg, ob reflektiert mit Analyse der Alternativen oder nicht. Das beinhaltet Länderwechsel oder Auswandern und andere Veränderungen im Leben.

Anke als „marriage celebrant“ am Strand von Dunedin
Anke als „marriage celebrant“ am Strand von Dunedin

Auch das verlassene Land oder Ort und seine Menschen ändern sich! Leider weiß ich heute noch nicht, was ich morgen wissen werde, weil ich morgen noch nicht erlebt habe. Es gibt einen Zeitpunkt oder Moment, wo man sich einfach sagen sollte: Genug gegrübelt, ich komme mit Denken und Überlegen zu keiner endgültigen Lösung oder Entscheidung. Die Bestätigung, was richtig oder falsch ist, wird irgendwann die Zukunft bringen. Also kann ich jetzt auch aufhören zu überlegen und mit bestem Wissen und Gewissen zu diesem Zeitpunkt eine Entscheidung treffen. Es gibt keine perfekte Lösung! Also: Entscheidung fällen, machen und sich freuen, wenn es klappt, wie erhofft, und wenn nicht, aufstehen, Krone richten und neu anpacken. Ich glaube, das ist der beste Rat, den ich persönlich jedem geben kann, der für längere Zeit ins Ausland (egal wohin!) gehen oder auswandern will.

Wer erwartet, dass er die positiven Seiten Deutschlands geschickt mit den positiven Seiten Neuseeland oder eines anderen Landes für sich harmonisch vereinigen kann und dabei alles Negative (auf beiden Seiten!) rauslassen kann, der wird seine Illusion sehr schnell kennenlernen.

„marriage celebrant“ Anke
„marriage celebrant“ Anke

Und vor allem vergesst eines nicht: Ihr nehmt Euch immer selbst mit…. egal wie weit Ihr ziehen wollt! Wem die Sorge um Altersversorgung, Krankenkasse, kulturelles Angebot und westlichen Konsumrausch den Schlaf noch vor dem Abflug nach Neuseeland raubt, der hat ganz einfach die falsche Einstellung zum Erlebnis Auswandern. Das ganze Leben ist ein Risiko, schon der erste Atemzug kann der letzte sein. Das Leben will doch einfach nur gelebt werden. Deswegen heißt es ja ER-Lebnis? Sicher kann keiner in der heutigen Zeit es sich erlauben, blauäugig und ohne Ressourcen (die er schon gut kennen und im Auge behalten sollte!) alles Vertraute von jetzt auf gleich und ohne Zukunftsplan zu verlassen! Doch denke ich, dass sich das vor allem in Deutschland bisher übliche Denken um Dinge wie Rente und soziale Absicherung nun ändern sollte.

Wir sollten aufhören, Verantwortung im Außen zu suchen. Ob bei Regierung, Justiz, Erziehung, Gesundheit, Nachbarn, Familie etc. etc. Dabei andere nicht als Feinde, sondern Mitreisende auf der Lebensreise und Hilfsbegleitpersonal annehmen! Wer das Unbekannte und Unerwartete nicht mit offenen Armen erwarten und annehmen kann, der wird sich bei jedem größeren oder auch gar kleineren Problem am neuen Ort nach Deutschland zurücksehnen. Das Vertraute, Familiäre, Bekannte wird dann immer den schnelleren Zugang zur Analyse der neuen Situation finden und vielleicht die Oberhand gewinnen.

Ich kenne viele Leute, die mehrere Male aus verschiedenen Ländern und Orten immer wieder nach Deutschland oder einen vorherigen Ort hin- und wieder zurückgezogen sind! Dass man damit gegebenenfalls schnell an finanzielle Grenzen stößt, wenn dieses Unterfangen von einer Entfernung wie zwischen Deutschland und Neuseeland getragen wird, ist zu erwarten und natürlich auch nicht unbedeutend im Kalkül. Aber es löst in den wenigsten Fällen diesen inneren Zwiespalt, der nun entstanden ist. Ich behaupte, dass die meisten den notwendigen inneren Absprung gefunden haben und endlich dort ankommen, wo sie sich hingepflanzt haben, wenn sie einmal fünf Jahre an einem Ort erfolgreich“ (was auch immer das heißen mag…) gelebt haben. In diesem Fall Neuseeland. Doch ein gewisser Restbestand an Sehnsucht (nach Vergangenem mehr als dem Land?) bleibt uns allen in dieser Situation, die ich hier mal „Wanderer zwischen zwei (oder mehr wie in meinem Fall) Welten“ nennen möchte.

Konkrete Fragen, die oft gestellt werden:

  • Was nervt mich persönlich in Neuseeland oder früher in anderen Ländern? Dasselbe, was mich auch daran fasziniert: die Menschen, unsere menschliche Kondition, die uns ALLE fordert, auf dieser Welt im Miteinander klarzuk
    Blick über den Strand von Pauanui
    Blick über den Strand von Pauanui

    ommen. Wer nicht lernen kann oder will, das Miteinander zu schätzen, sollte sich nicht in die Andersartigkeit begeben.

  • Was fehlt mir (an Dingen) aus Deutschland? Nichts (mehr), weil ich gelernt habe, diese Dinge durch andere vor Ort (wo auch immer) zu ersetzen. Z.B. wurde fehlende Kultur durch die Fülle der Natur in Neuseeland ersetzt. Nervige Mentaliätsmerkmale bzw. -unterschiede im Gespräch mit lokalen Mitmenschen werden durch ein erhöhtes Verständnis und Einfühlsamkeit für andere belohnt (was keinesfalls leicht oder konfliktlos geht!) und so weiter….

Was hat mir geholfen bei diesem Vagabundenleben? In erster Linie die oben beschriebenen Fähigkeiten und eine Bereitwilligkeit, diese auch durch die Herausforderungen zu erweitern. In zweiter Linie das Glück, meistens unabhängig und in der Lage zu sein, häufiger, wenn nötig jedes Jahr, nach Deutschland in Urlaub zu fliegen, um Familie und Freunde wiederzusehen. Wie wichtig wurde mir letzteres über die Jahre? Immer weniger…. Versteht mich nicht falsch! Ich bin gern auf Besuch in Deutschland und empfinde es auch immer noch als meine Heimatwurzeln! Doch: alte Freunde dort leben ihr Leben genauso wie ich / ihr Leser dort „draußen“. Das Verständnis der Zurückgebliebenen und deren Vorstellungskraft über mein Leben nahm über die Jahre immer mehr ab. Sowie auch das Interesse an meinem Leben. Schließlich wird es zu einem Besuch zum Kaffeeklatsch, bei dem alles Oberflächliche an Neuigkeiten in 1 – 2 Stunden abgearbeitet wird, …

…und dann…setzt eine Entfernung auch innerhalb desselben Wohnzimmers ein. Oftmals kann die Stille dann nur durch Fragen nach dem Leben des anderen wieder belebt werden. Doch sind das meist meine Fragen an die, die das einstmals Vertraute weiterleben….

Und ja! Ich bin zufrieden mit meinem Leben und glücklich, in Neuseeland leben zu dürfen! Damit will ich es belassen. Ich wünsche allen Lesern dieses Artikels viel Mut, Weisheit, Glück bei ihren Entscheidungen und auf ihrem Lebensweg!“

Vielen Dank für deinen Beitrag, Anke!

Ein Gedanke zu “Egal wo ihr hingeht: „Ihr nehmt euch immer selbst mit“”

  • Besser kann man das alles nicht beschreiben, genau so sehe ich das auch. Ich lebe seit 7 Jahren in Neuseeland und habe vor 7 Jahren in Neuseeland meine Frau Carmel geheiratet . Wir wurden von Anke getraut. Es war eine unvergessliche Zeremonie bei uns im Garten. Anke hat uns in zwei
    Sprachen getraut und sie fand immer die richtige n Worte ob in Deutsch oder Englisch. Inzwischen ist sie nicht nur unser Celebrate sondern auch eine sehr gute Freundin geworden die wir sehr schätzen.

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