„How’s your day been“ – wie war Ihr Tag bisher so? Ein Deutscher, der frisch in Neuseeland ankommt, fühlt sich an der Stelle gerne auf den Schlips getreten. „Was geht die denn das an, wie mein Tag läuft?“ denkt er insgeheim. Dabei ist Small Talk im Rest der Welt das Natürlichste auf der Welt.
Ob man sich beim Croissantkauf in Frankreich mit der Bäckerin über das Wetter unterhält, in Italien mit dem Strandnachbarn, in den USA sowieso gefühlt die ganze Zeit über alles Mögliche, oder in Neuseeland beim lockeren Plausch an der Kasse. Der Deutsche unterhält sich nicht gerne über Belangloses – verschwendete Zeit ist das doch. Was sollen wir denn um den heißen Brei herumreden, „straight to the point“ tut’s doch auch.
In Neuseeland erkundigt man sich gerne nach der Familie, dem letzten Wochenende, … Dinge, die bei Deutschen erst nach einer Phase des Kennenlernens angesprochen werden. Deutsche tendieren dazu, sich unmittelbar über Beruf und Karriere zu erkundigen, um den anderen richtig einordnen zu können. Unter Deutschen im Ausland ist die beliebteste Frage: „Und wie lange bist Du schon hier?“
Aber halt – vielleicht small-talken wir Deutschen nur anders als andere: Aus ozeanischer Sicht hat der Small Talk in Europa einen Anstrich von „Sichbeschweren“. Wir kommen gerne ins Gespräch, in dem wir uns über einen Störenfried solidarisieren, den schlechten Service bemängeln oder die permanent späte Bahn als Sündenbock für den vermasselten Tag heranziehen – unsere europäischen Nachbarn stehen uns dabei um nichts nach.
Aus Sicht der englischen Autoren des kurzweiligen Buches „[amazon_textlink asin=’3839192293′ text=’German Secrets‘ template=’ProductLink‘ store=’sino76-21′ marketplace=’DE‘ link_id=’e121211f-0312-11e9-b37f-f580f5d98ef7′]“, Paul Smith und Ken Taylor, existiert in Deutschland kein Small Talk: „There is none. Especially in business.“ Für Deutsche sei Small Talk genau das: small, klein. Zeitverschwendung, und Zeit ist Geld. „If you attend a business meeting in Germany, don’t be surprised if your hosts greet you, say one or two words about your trip and then dive straight into the subject at hand. It’s not that they are being unfriendly. It’s not that they are being impolite. It’s not that they are not interested in you. They just feel uncomfortable with the ’small‘ in the Small Talk.“
Ein Artikel in der Rheinpfalz, „Sozialgeräusch, sozialer Kitt“, weckte jüngst meine Aufmerksamkeit. Es gibt viele Gründe, weshalb wir wieder mehr small-talken sollten! Aha, haben wir Small Talk etwa einfach nur verlernt? Auf jeden Fall würde er einen neuen Trend setzen: laut niederländischem Max-Planck-Institut seien Unterhaltungen „womöglich eine der anspruchsvollsten kognitiven Aufgaben in unserem Alltag“. Die Fähigkeit zum Small Talk zähle zur emotionalen Intelligenz. Nun ja, schließlich sind wir auch eher für das „Dichten und Denken“ berühmt. Dabei könnte Small Talk das neue Anti-Aging Mittel schlechthin sein! Er beeinflusse das physische und psychische Wohlbefinden. Forscher der Universität Zürich fanden sogar einen Zusammenhang zur Sterblichkeit heraus.
Während es aus Sicht des Artikels und im Gegensatz zur englischen Sicht weiter oben höchstens im Geschäftsumfeld Small Talk gibt, scheint über das Nichtvorhandensein im privaten Kontext Einigkeit zu herrschen. Wann hast Du das letzte Mal probiert, jemanden in Deutschland im Lift freundlich lächelnd in die Augen zu schauen? Ganz anders im Geschäftskontext: Direkter Augenkontakt ist erwünscht, sonst gerät man in den Verdacht, etwas zu verbergen. Das ist übrigens nicht in allen Kulturen so. In asiatischen Kulturen beispielsweise würde eine solche Verhaltensweise als unangenehm oder sogar aggressiv empfunden werden. Das ist allerdings ein anderes Thema.
Also. Wer ist dabei beim neuen Anti-Aging-Trend? „How’s your day been?“ 🙂