Hochzeitsreise – Honeymoon. Glücklichsein. Zur Zeit bin ich mal wieder auf Europareise alias Hochzeitsreise. Wie was wo Du bist doch gar nicht verheiratet, was redest Du für dummes Zeug?Honeymoon bezeichnet im Interkulturellen die erste Phase der Auswanderung oder der Wiedereingliederung in die alte Heimat nach einem Auslandsaufenthalt. Wer auswandert oder zurückkehrt – ob für längere Zeit oder auf Besuch – kennt dieses wohlige Gefühl des Neuen, Unbekannten oder vermissten Vertrauten.
Beim Einwandern erobert man die Welt. Beim Zurückkehren freut man sich über die Gerüche, die Eindrücke, das Altbekannte, das man bewußt oder unbewußt in der Ferne vermisst hat.
In den letzten drei Jahren bin ich jedes Jahr für einige Monate in den deutschen Sommer gereist. Mittlerweile ist klar, dass ich nur noch in Hamburg länger bleiben kann. Hamburg ist grün und hat viel Wasser. In Neuseeland leben die meisten Menschen in unmittelbarer Meeresnähe. Ohne Wasser in der Umgebung fehlt etwas. Wie ging es mir dieses Jahr bei Ankunft?
Beim innerdeutschen Flug nach Hamburg fielen mir die mit Rapsfeldern überzogenen Landschaften auf, die es in dieser Art in Neuseeland nicht gibt. Kindheitserinnerungen wurden wach, von meinem Hund, der durch das Feld hüpfte, und dessen Ohren beim Hochspringen so lustig hochflogen, so dass er zwischenzeitlich aussah wie ein Hase.
Ankunft in Hamburg. Der Pilot begrüßte uns mit: “Hamburch – meine Perle. Das Wetter ist hervorragend und sogar wärmer als in Süddeutschland. Da soll nochmal einer sagen, in Hamburch ist immer Schietwetter.” Beim Warten auf die Rolltreppe unkte er, es hätte wohl keiner um diese Uhrzeit am Montagmorgen mit einem Flieger aus München gerechnet. Die Kollegen am Boden händelten alles mit friesischer Gelassenheit. Was der Pilot als gelassen bezeichnete, empfand ich aus Neuseeland kommend anders. Geschmeidig dynamisch fuhren die Fahrzeuge aller Art effizient um die Flugzeuge herum, erledigten ihre Arbeit und organisierten den Flughafen. Andere Wahrnehmungen je nachdem, aus welcher Kultur man auf den Flughafen schaute.
Im Flughafen roch es nach Zimt. Franzbrötchen!
Ein Rezept für erfolgreiches Auswandern ist es, eine klare Entscheidung zu treffen. Denn auch im vermeindlichen Paradies Neuseeland trifft man nach einiger Zeit mehr und mehr auf Dinge, die einen stören und nerven, die einige Auswanderer dann gerne beschimpfen und das alte Zuhause auf einen Podest stellen. Zurück in der Heimat trifft einen nach der Honeymoon-Phase die Ernüchterung. Man hatte total vergessen, was einen in der alten Heimat genervt hatte und weshalb man eigentlich ausgewandert ist. Diese Phase nennt man beim Auswandern und Zurückkehren im Interkulturellen Kulturschock. Sie kann mehr oder weniger ausgeprägt stattfinden und ist eine Depression aus ganz bestimmtem Grund: Die Konfrontation mit den ungeahnten Werten einer anderen Kultur oder mit den vergessenen, ehemals abgelehnten Werten der eigenen Kultur.
Am ersten Morgen in meiner Hamburger Wohnung auf Zeit genoß ich den deutschen Sommer und meine ganz persönliche Hochzeitsreise. Die Sonne fühlte sich nicht so brennend an. Der Wind fehlte. Wohl gemerkt, ich wohne in Wellington in Neuseeland, der windigsten Stadt der Welt. Die Wohnung war modern, superschön, sauber und adrett, auf subtile Weise irgendwie typisch deutsch.
Ganz bewußt hatte ich dieses Jahr ein Gefühlsgemisch, das ich extrem genoss, weil es einem rückkehrenden Auswanderer bzw. ausgewanderten Rückkehrer in der ersten Zeit hier und dort eigen ist: das Wissen, das ich nicht zurück wollte und das gleichzeitige Genießen dessen, was mir manchmal fehlt. Genießen, vorübergehend in die eigene Kultur einzutauchen, wo ich mich verstanden fühle, ohne viel erklären zu müssen.
Je länger man ausgewandert ist, umso mehr akzeptiert man, dass man nie mehr im Leben einer Kultur komplett zugehören wird. Interkulturelle Kompetenz zeichnet sich dadurch aus, das Leben zwischen beiden Welten und die Bereicherung aus mehreren Kulturen zu schätzen, die einen als Menschen geprägt und verändert haben. Es ist ein unheimliches Geschenk, aus einem Land zu kommen, das international anerkannt ist, einem die Welt öffnet und weltweite Möglichkeiten bietet, dort zu sein, wo man sein will.
Je länger man ausgewandert ist, umso kürzer werden die ersten beiden Phasen der Kulturschockkurve und umso stabiler befindet man sich in der letzten Phase, der Akkulturation oder Eingliederung, in meinem Fall auf beiden Seiten der Erde. Ich bin gespannt, wie lange meine Hochzeitsreise dieses Jahr dauert und ob es eine Kulturschockphase geben wird.
Mehr interkulturelle Literatur zu Themen wie der Kulturschockkurve findet Ihr unter Lesenswert.
Hi Anni, wie schön dass Dir die Seite gefällt! Sehr schöne Anregungen auch auf Deiner! Weiter so und vielleicht sehen wir uns ja einmal in Neuseeland! Liebe Grüße, Silke